Montag, 27. Dezember 2021

Heimnachrichten 2021

Kinder werden diszipliniert

Zwischen 1954 und 1973 habe es geradezu einen „Boom stärkster Verschickungstätigkeit“ gegeben. Weit über 1 000 Heime soll es allein in Westdeutschland gegeben haben, in die Kinder, zumeist zwischen drei und elf Jahren alt, für sechs Wochen „verschickt“ wurden. Die „Verschickung“ knüpfte offenbar an die NS-Kinderlandverschickung an. Es gab, nicht überraschend, eine Vielzahl personeller Kontinuitäten sowohl bei den Propagandisten der Verschickungen, meist Ärztinen und Ärzte, wie auch bei den betreuenden Schwestern und „Tanten“ in den Heimen. Übernommen wurden auch, folgt man Röhl, ungebrochen deren auf eine Disziplinierung der Kinder abzielende Erziehungsmethoden.

Ärzteblatt, März-Ausgabe

Massengrab auf ehemaligem Heimgrundstück

 Wie der britische Sender BBC berichtet, wurde das Massengrab bei Radar-Untersuchungen gefunden. Es besteht die Vermutung, dass es sich um indigene Kinder handelt. Das katholische Internat war 1890 eröffnet worden. Es war eines von zahlreichen Umerziehungsheimen für indigene Kinder in Kanada. 1969 übernahmen staatliche Behörden die Leitung, 1978 wurde das Heim geschlossen.

Kanadas Premierminister Trudeau erklärte, die Nachricht breche sein Herz. Er sprach von einer schmerzhaften Erinnerung an ein dunkles und beschämendes Kapitel der Geschichte Kanadas.

Deutschlandfunk, 29. Mai 2021

Keine Hinweise auf Missbrauch

Die Erlöserschwestern in Würzburg haben bisher nach eigenen Aussagen keine Hinweise auf einen rituellen Missbrauch durch Priester in einem Kinderheim. Noch lebende Ordensfrauen könnten den Vorwurf nicht nachvollziehen, erklärte der Orden am Donnerstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Zudem hätten sich zwei ehemalige Heimkinder gemeldet. "Die beiden ehemaligen Heimkinder widersprechen sogar vehement den gemachten Aussagen zum mutmaßlichen rituellen Missbrauch in der Kapelle." Dies ergebe sich etwa auch aus der Rekonstruktion baulicher Gegebenheiten.

Katholisch, 23. Juli 2021


Gewalt in zwei katholischen Kinderheimen

Die Projektgruppe zur Aufklärung von Gewalt in zwei kirchlichen Kinderheimen im Bistum Augsburg hat ihren Schlussbericht vorgelegt. Es geht um das Josefsheim Reitenbuch und das Marienheim Baschenegg im Landkreis Augsburg, beide in Trägerschaft des katholischen Vereins Christliche Kinder- und Jugendhilfe.

Zwischen 1950 und 2004 hätten dort unter anderen Geistliche und Schwestern des Ordens der Dillinger Franziskanerinnen Taten verübt, teilte die Projektgruppe am Donnerstag in Augsburg mit. Es habe sexualisierte, körperliche und seelische Gewalt gegeben. Die genaue Opferzahl sei unklar, mindestens seien 15 Buben und vier Mädchen betroffen gewesen.

Domradio, 9. September 2021

Endlich eine Antwort

Es geht um die Step gGmbH Hannover und um die Therapeutische Gemeinschaft Wilschenbruch, die 2012 an die Step gGmbH verschenkt und 2014 geschlossen worden ist. Will der Oberbürgermeister von Hannover nun mehr wissen?

Wordpress, 29. November 2021

In Psychiatrie weggesperrt

"Mir stehen die Tränen in den Augen, man rührt ja alles hoch … Gut geht es einem nicht dabei", sagt Beate Runge. Sie blieb ihre gesamte Kindheit und Jugend in der Psychiatrie weggesperrt, war in der DDR abgeschrieben, als "nicht entwicklungsfähig" eingestuft worden. Dennoch hat sie sich bereit erklärt, für den Film ihres Bruders Peter Wawerzinek und des Regisseurs Steffen Sebastian an den Ort ihrer Kindheit zurückzukehren, das Krankenhaus Stralsund West. Bei der Premiere von "Lievallen" auf dem Filmkunstfest Schwerin 2019 hat sie öffentlich über ihre Vergangenheit gesprochen. Das hat Überwindung gekostet.

NDR, 30. November 2021

Das Geschäft mit den Heim- und Pflegekindern

„Kinder in Deutschland landen häufiger bei Pflegeeltern oder im Heim. Wurden
2005 knapp 26.000 Minderjährige von den Jugendämtern in ihre Obhut
genommen, lag diese Zahl 2014 schon bei mehr als 48.000. Dabei gibt es frappierende Unterschiede zwischen den Bundesländern, stellt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fest, die der „Welt“ vorliegt.“

Stadtspiegel, 24. Dezember 2021

Dienstag, 2. November 2021

Jugendämter 2021

Jugendamt Sankt Augustin reagiert nicht auf Hinweise

Das junge Mädchen war 2010 nach Sankt Augustin gekommen, zu einem Bekannten der Mutter. Mit ihr hatte es zuvor immer wieder Streit gegeben. Nach einem guten Start soll sich der Mann ihr immer mehr genähert haben, dann sei es zu Übergriffen gekommen. Neun Jahre lang soll sich sich der Mann immer wieder an ihr vergangen haben. Das Jugendamt in Sankt Augustin erhält mehrere Hinweise. Schon 2009 war ein Verfahren wegen Missbrauchs gegen den Mann eingestellt worden. Eine Warnung des Jugendamtes in Emden, dort wohnt die Mutter, führte auch nicht dazu, dass das Mädchen von dem Pflegevater getrennt wurde. Der Grund: Der Mann ist nur Pflegeperson, hat das Sorgerecht also nicht. Eine solche Pflegeerlaubnis sei rechtlich nur schwer zu untersagen gewesen, so die Stadt auf RBRS-Nachfrage. Nach Angaben der Stadt soll das Jugendamt jetzt aber alle Fälle überprüfen. Die Stadt hat sich auch an das Land gewandt um die Voraussetzung für solche Pflegeerlaubnisse zu verschärfen. Der mutmaßliche Täter ist inzwischen verstorben, kurz vor einem Gerichtsprozess.

Radio Bonn, 8. Januar 2021

Gerichte kritisieren Jugendamt

Mutter und Kind wurden am 26. Dezember des vergangenen Jahres noch im Krankenhaus voneinander getrennt. Zum Schutz des Kindes, argumentiert die Behörde. Nach Angaben des Verwaltungsgerichts in Neustadt sei die Frau vor die Wahl gestellt worden: Entweder, sie geht freiwillig mit dem Kind in eine Mutter-Kind-Einrichtung - oder sie muss das Neugeborene abgeben. Da die Frau nicht in eine Einrichtung gehen wollte, wurde das Kind noch im Krankenhaus von den Jugendamtsmitarbeitern mitgenommen. Einen richterlichen Beschluss hat es dafür nicht gegeben. Seit dem 8. Januar sind Mutter und Kind wieder vereint. 

SWR, 18. Januar 2021

Prozess: Eltern stürmen Jugendamt

Wie sollen liebende Eltern bestraft werden, die im Kampf um ihre Kinder ausgerastet sind?

Frage an das Landgericht Detmold. Dort mussten sich Itoro S. (35) und Blessing D. B. (32) u. a. wegen versuchter Brandstiftung, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Bedrohung verantworten.

Am 20. August stürmten die Eheleute ins Jugendamt Lemgo, zertrümmerten Büros, schlugen auf Mitarbeiter ein, drohten mit Mord und verschütteten Benzin. Noch am Tatort wurden sie festgenommen, sitzen seitdem in U-Haft. Ihre drei Kinder (4, 7, 8) leben schon länger im Heim.

Bild, 15. Februar 2021

Fall Lügde: Wiederkehrende Versäumnisse

Düsseldorf. Die Jugendämter Hameln und Lippe standen im Fall des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs von Lügde bislang besonders im Mittelpunkt der Auswertungen. Seit einigen Tagen gerät auch das Jugendamt im Kreis Höxter immer mehr ins Blickfeld. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses im Düsseldorfer Landtag erkennen bedenkliche Parallelen, wiederkehrende Versäumnisse – und gefährliche Unterschiede...

Neue Westfälische, 20. Februar 2021

Jugendämter tauschen keine Infos aus

Im Sommer 2017 stirbt ein Pflegekind in der Obhut ihrer Pflegemutter. Die heute 52-Jährige gesteht, die 21 Monate alte Naelys getötet zu haben. Sie wird zu mehr als sechs Jahren Haft verurteilt. Dem WDR liegen jetzt Fall-Unterlagen vor, die eine wichtige Frage aufwerfen: Hätte eine bessere Kommunikation der beteiligten Jugendämter und Jugendschutz-Institutionen die Tat verhindern können?

Die Zeit als Pflegemutter beginnt für die Solingerin 2014. Nach nur kurzer Zeit bekommt sie ein Pflegekind vom Jugendamt Wuppertal wieder abgenommen. Aus den Fall-Unterlagen geht hervor, dass die Erfahrung mit der Frau Horror gewesen sei. Sie sei unberechenbar, so das Amt. Die später mit der Solingerin befassten Jugendämter wissen davon offenbar nichts.

WDR, 24. Februar 2021

Pädophilen-Netzwerk: Berliner Senat bleibt untätig

Über Jahrzehnte haben die Berliner Jugendämter Kinder an Pädophile vermittelt. Aus einem Gutachten geht hervor, dass es in Berlin ein institutionell gut vernetztes Pädophilen-Netzwerk geben muss, das bis heute nicht offengelegt wurde. Der Berliner Senat bleibt untätig.

Wirtschaftsnachrichten, 5. März 2021


Fast verhungerte Alina: Zwei Jugendamtsmitarbeiter entlassen

Die beiden Jugendamtmitarbeiter, die noch zwei Tage zuvor beim Hausbesuch Alina gesehen und nichts veranlasst haben sollen, wurden inzwischen entlassen. Gegen die beiden ist ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung eingeleitet worden.

Die Bergheimer Stadtverwaltung bestätigte jetzt auf Anfrage, dass im Zuge der Untersuchungen im Fall der fünfjährigen Alina, zwei Mitarbeiter des städtischen „Allgemeinen sozialen Dienstes“ aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden seien, wie dies in der Gerichtsverhandlung bekannt geworden war. In einem Fall habe es einen Aufhebungsvertrag, im anderen eine Kündigung gegeben. Es habe sich um langjährige Mitarbeitende gehandelt, keineswegs um neue Kollegen etwa in der Probezeit. Im September war von „notwendigen arbeitsrechtlichen Schritten“ die Rede gewesen.


Kölner Stadtanzeiger, 14. April 2021

Großeltern machen sich Sorgen

Oerlinghausen. Großeltern zu sein, ist etwas Wunderbares. Man darf die Enkel verwöhnen, kann tolle Sachen mit ihnen machen und hat doch nicht das ganz große Paket der elterlichen Verantwortung zu tragen. Rudolf und Margret (Namen geändert) sind Großeltern – und sie würden für ihr Enkelkind gerne mehr Verantwortung übernehmen, denn sie haben die große Sorge, dass es ihrem Enkelkind bei den Eltern nicht gut geht. Das Enkelkind, das mit seinen Eltern in einem Ort in der Nähe wohnt, haben die Großeltern zuletzt Weihnachten 2019 gesehen...

Neue Westfälische, 20. April 2021

Lügde: Haben noch mehr Jugendämter versagt?

Bei der Aufklärung des Behördenversagens im Missbrauchsfall Lügde geraten immer mehr Jugendämter in den Blick des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag. Nach SPIEGEL-Informationen hat der Ausschuss jetzt die Jugendamtsakten von 23 Städten angefordert, in denen Opfer der Missbrauchstäter vom Campingplatz in Lügde leben. Darunter sind die Städte Wuppertal, Gütersloh, Detmold, Paderborn und Aachen.

Der Spiegel, 29. April 2021

Nordrhein-Westfalen: Opferbeauftragte kritisiert Jugendämter

Auchter-Mainz berichtete, sie erlebe "immer wieder", dass Hinweisgeber - zum Beispiel Lehrerinnen, Heimpersonal oder Kinderärzte - angeben, dass sie "gar keine Rückmeldung, kein Kontakt, keine Resonanz" bekommen, nachdem sie einen Verdachtsfall gemeldet hätten. Sie sprach von "wenig Zufriedenheit" mit den Jugendämtern. Sie bekomme Anrufe, wonach dort "ganz junge Leute", denen die nötige Ausbildung fehlt, eingesetzt würden.

Ein Kinderarzt habe ihr berichtet: "Das geht so nicht. Ich melde was, ich bin 30 Jahre in einem Problembezirk, ich sehe das Kind und weiß, wann ich was melde. Aber ich kriege gar keine Rückmeldung."

WDR, 20. September 2021

Tod eines Kleinkindes wirft Fragen auf

Bopfingen (dpa/lsw) - Im Fall eines mutmaßlich durch Misshandlung zu Tode gekommenen Kleinkinds in Bopfingen (Ostalbkreis) hat die Familie im Kontakt mit dem Jugendamt gestanden. Sie wurde vom Jugendamt Schwäbisch Hall betreut, wie das Landratsamt mitteilte. «Wir sind zutiefst erschüttert und betroffen und haben mit einer umfassenden Aufarbeitung der Geschehnisse begonnen.» Nähere Angaben wurden mit Verweis auf den Datenschutz nicht gemacht. Die Mutter und ihre Kinder waren nach einem SWR-Bericht vom Donnerstag in diesem Jahr nach Bopfingen umgezogen.

Die Zeit, 28. Oktober 2021

Mittwoch, 14. Juli 2021

Pestalozzi-Stiftung

Vor 50 Jahren
gefürchtet. 
Foto: Tjaden
Stadt Burgwedel will Badenhop-Straße umbenennen

Großburgwedel. Ein ehemaliges Heimkind, das im Alter von elf Jahren in der Pestalozzi-Stiftung sexuell missbraucht worden ist, hat angeblich mit einem Brief die Burgwedeler Stadtverwaltung aufgeschreckt: Der Pastor-Badenhop-Weg soll noch in diesem Jahr umbenannt werden. Damit endet die skandalöse Würdigung von Hans-Georg Badenhop, der die Stiftung von 1960 bis 1984 geleitet hat.  Berichtet die Burgwedeler Wochenzeitung "Marktspiegel" in ihrer Ausgabe vom 14. November 2020 und zitiert Bürgermeister Axel Düker so: "Wenn uns der Brief des Opfers nicht erreicht hätte, wüssten wir von nichts." 

"Ich habe mir manchmal vorgenommen, nicht weiter zu leben", sagt Michael B. Er hat die Jahre 1978 bis 1982 in einem Heim der Burgwedeler Pestalozzistiftung verbracht. Immer in Angst, erzählt der 43-Jährige. Denn: "Der Heimleiter war fast zwei Meter groß und hatte Hände wie Schaufeln." Hände für Prügel. Die Michael B. nach seinen Angaben oft bekommen hat.

Der 43-Jährige: "Doch die ertrug ich als Kind und als Jugendlicher. Weil ich noch mehr Angst vor sexuellem Missbrauch hatte."

Steht seit dem 16. März 2010 im Netz. Damals lieferte ich der Vorsitzenden eines Runden Tisches des Bundestages, der sich mit der Geschichte von Kinderheimen zwischen 1950 und 1975 beschäftigte, alle Informationen, die ich bis dahin gesammelt hatte. Das war eine Menge und mit dem damaligen Leiter der Pestalozzi-Stiftung lernte ich jemanden kennen, der in ungewöhnlicher Offenheit mit dem Thema umging. Drei Monate später verabschiedete sich Pastor Andreas Seifert in den Ruhestand. 

Um die 30 Ehemalige haben sich Andreas Seifert zufolge in den vergangenen beiden Jahren bei der Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel gemeldet: "Den meisten lag nur an der Akteneinsicht." Sechs Ehemalige hätten Vorwürfe erhoben, Michael B. sei der Siebte. "Darüber hinaus haben wir von drei ehemaligen Mitarbeiterinnen Berichte mit Vorwürfen erhalten, die die Berichte der ehemaligen Kinder und Jugendlichen übertreffen", so Andreas Seifert, der hinzufügt: "Alle Vorwürfe beziehen sich auf Schläge und Strafen und auf erniedrigende und entwürdigende pädagogische Maßnahmen."

Berichtete ich am 20. März 2010. Dann stellte ich einen Kontakt von Michael B. mit der "Nordhannoverschen Zeitung" her. Der damalige Burgwedeler Redakteur Martin Lauber berichtete ausführlich.

Ich berichtete weiter. Am 5. November 2012 schrieb ein ehemaliges Heimkind: "Ekelig war besonders, dass man dem Erzieher seinen Penis masturbieren musste, so lange bis er abspritzte."

Übernommen aus dem "Burgdorfer Kreisblatt" vom 16. November 2020, für das ich ebenfalls verantwortlich zeichne.

17. Dezember 2020. Inzwischen haben Stadt- und Ortsrat beschlossen: Die Straße wird umbenannt.

14. Juli 2021. Offenheit in Festschrift versprochen Hier klicken