Gedanken über einen Roman von Michael Holzner
Akademie für Publizistik in Hamburg, 1980: Er schiebt die Tür auf, die den Seminarraum teilt. Alle drehen sich um. "Guten Tag", sagt er. "Ich bin gleich wieder weg." Weg ist er wieder.
"Das war Michael Holzner", sagt der Seminarleiter. "Er hat einen Roman geschrieben über seine Erfahrungen als Heimkind. Wenn jemand diesen Roman lesen will, ich kann ihn bestellen."
Viele wollen diesen Roman lesen. Er heißt "Treibjagd". Der Romanheld wird von seinen Eltern in ein Heim abgeschoben, reißt immer wieder aus.
Ein paar Tage später taucht Michael Holzner wieder in der Akademie auf: "Ich möchte dir gern die Reeperbahn zeigen." Ich bin nicht begeistert. "Ich zeig dir keinen Porno-Schuppen. Wir gehen dort hin, wo sich die Nutten nach der Arbeit treffen." Das klingt spannend. Finden auch zwei Frauen.
Hamburg schläft, als er uns zur Reeperbahn fährt. In einer Kneipe schauen sich Prostituierte Trickfilme an, lästern über ihre Freier. "Wenn die Männer wüssten, wie hier über sie geredet wird, würden sie bei ihren Frauen bleiben", sagt Michael Holzner. Über seine Kindheit in Heimen verliert er kein Wort. Ich ahne nicht, dass ich mich eines Tages mit diesem Thema beschäftigen werde.
Schleswig-Holstein heute: Immer wieder reißen Kinder aus Heimen aus. Die Polizei bringt sie zurück. Manchmal schaffen es die Kinder bis nach Hamburg. Ein 13-Jähriger ruft häufig seine Mutter an. Dann ist er wieder einmal unterwegs. Das erste Kapitel der Geschichte hat ein Sozialpädagoge aus Lüneburg geschrieben. Der heißt Ruthard Stachowske, ist Honorarprofessor an der Evangelischen Hochschule Dresden. Seinen Referaten stellt er gern ein Bibelzitat voran. "Wer unter euch ohne Schuld ist..." Und so was. Im Jahre 2000 soll Stachowske in der damals von ihm geleiteten Therapeutischen Gemeinschaft Wilschenbruch einige Babys von ihren Eltern getrennt haben. Die Zerstörung von Familien ist sein Spezialfach. So was interessiert die Evangelische Hochschule in Dresden nicht.
Der 13-Jährige will zurück zu seiner Mutter. Auch zu seiner Schwester will er. "Was die im Heim mit uns machen, kann man sich nicht vorstellen", sagt er. Die Heimleitung streitet Missstände ab. In Eckernförde soll alles in Ordnung sein.
Ruthard Stachowske behauptet auf seinen Internet-Seiten, meine Berichte über ihn seien "perfide". Das finde ich in Ordnung. Würde er mich loben, fände ich das peinlich...
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